Kaum zu glauben, wieviel Neues in den Centovalli zu entdecken ist. Oder kanntest Du die Casa Maria und die Casa Cecilia in Costa? Nein, nicht in Costa sopra Borgnone, sondern in Costa sopra Intragna. An diesem Unterschied ist möglicherweise schon einmal eine Ehe gescheitert. Wie die Geschichte erzählt wird, sollen einst zwei Verliebte aus dem Tal im jeweils falschen Costa aufeinander gewartet haben – leider ohne happy end. Aber nun zur wahren Geschichte von Eduard und Angelika Bick:
Die Geschichte des Eduard Bick reicht ins vorletzte Jahrhundert zurück. Geboren am 15. Januar 1883 in einer Goldschmiede-Werkstatt im sankt-gallischen Wil, zeichnete sich schon früh eine künstlerische Laufbahn als Maler und Bildhauer mit Holz-, Granit und Bronze-Plastiken ab. Mit seiner Berliner Ehefrau Angelika Ohloff (1893) fand er dann nicht nur in Zürich, sondern auch im Tessin eine neue Heimat. Nicht unüblich für Künstler zwischen den Weltkriegen gerieten sie in einen Sog zum Freiheit versprechenden Süden im kommunistisch-sozialistischen Umfeld der Monte Verità Bewegung. Fast mittellos erstanden sie etwas Land zur Selbstversorgung mit Freunden und bauten später ein Atelierhaus in Sant’Abbondio-Ranzo im Gambarogno an den Hängen des Lago Maggiore.
Angelika Bick schreibt in ihren Aufzeichnungen: «Im April 1935 hatte uns Spengler bereits so weit bearbeitet, dass wir weich wurden. Mein Mann riet mir hinunterzufahren und das Land einmal anzusehen. Ich war begeistert über Schönheit, Einsamkeit und Unberührtheit der Landschaft. Bei Mondschein schlich ich auf dem Terrain herum. Ich war wie trunken. (…) Im Rücken der schöne Hügel hatte es mir angetan, oft spazierte ich herauf, genoss die schöne Aussicht und Wünsche stiegen in mir auf, ihn zu besitzen. Das Glück war uns hold, das Glück zur Güterzusammenlegung. Der Geometer gab meinem Mann einen Wink, er kaufte für 300.00 und 200.00 zwei Stück Land in Gerra und man tauschte dafür den «Hügel» ein. Unfassbar – Ein Wunsch war in Erfüllung gegangen, Begeisterung und grosse Liebe hatten dazu beigetragen.»
1947 stirbt Eduard Bick in Zürich, 1956 folgt ihm Angelika, nachdem sie testamentarisch Land, Haus und die Hälfte des Barvermögens für eine zu gründende «Eduard Bick-Stiftung» vermacht hatte. Dies war der Beginn der Fondazione Eduard Bick (Link zu fondazionebick.ch). Die Stiftung ist gemeinnützig orientiert und seit 2018 steuerbefreit. Die Mieteinnahmen werden ausschliesslich zur Erhaltung der Liegenschaften und des Stiftungszweckes benutzt.
Im Nachruf für Angelika Bick schrieb der Willensvollstrecker Guido Fischer 1957: «Diesen für die Gattin unseres Kollegen zum Kostbarsten auf dieser Erde gewordenen Besitz wollte sie keinem der Interessenten, die sich aus der Schweiz, aus Deutschland und Holland gemeldet hatten, verkaufen. Es war ihr Wunsch, dass er den Schweizer Malern und Bildhauern zugutekommen solle. Die Gewissheit, dass die Plastiken und Gemälde von Edouard Bick ihren Wünschen entsprechend verteilt seien und dass ihr Haus und ihr Land Malern und Bildhauern Freude machen werde, haben über die letzten Tage von Angelika Bick eine wundersame Verklärung gebracht.»
Erst im Jahre 2000 wurden dann die sorgfältig renovierten Steinhäuser Casa Maria und Casa Cecilia sopra Intragna als Schenkung von Verena Graf in die Stiftung eingebracht. Seither stehen die Häuser professionellen Kunstschaffenden für kurz- und mittelfristige Aufenthalte zur Verfügung, zur Inspiration, Erholung und zur Schaffung neuer Werke. Die vier Häuser können gemietet oder über Kunst-Stipendien genutzt werden.
- Stadt Wil SG vergibt seit 2017 ein Atelier-Stipendium.
- Kultur Stadt Bern vergab 2021 zwei Stipendien in Costa.
- Visarte Schweiz – ist seit Gründung der Stiftung im Vorstand vertreten und hat in früheren Jahren bereits Angebote für Mitglieder gemacht.
Alle Angaben zu den Häusern mit Buchungsmöglichkeiten und Preisen findest Du mit folgenden Links (auf Bild klicken):
2022 fährt die kleine Seilbahn nach Pila Costa nur Warentransporte. Das bedeutet kleine Wanderungen, um nach Intragna zu gelangen. Aber wenn Du einmal in den schönen Häusern wohnst, willst Du sowieso nicht mehr weg. Und im Grottino Costa dort oben wirst Du sicher etwas Gesellschaft finden. Also nichts wie hin und buchen solange noch Platz ist.
Zum Schluss noch etwas Persönliches. Wie der Zufall spielt, bin ich selbst Bürger der Stadt Wil SG und dort aufgewachsen. Mein Grossvater (1869 bis 1933) führte ein Uhren- und Optikgeschäft und hat bestimmt die Goldschmiedewerkstatt der Familie Bick gekannt, die nur unweit von unserem Laden an der oberen Bahnhofstrasse gelegen war. Mein Vater (1897-1979), ebenfalls Uhrmacher ist Herrn Bick später vielleicht einmal in Zürich begegnet als er im Uhrengeschäft Beyer an der Zürcher Bahnhofstrasse arbeitete. Doch genug der Spekulation!
Etwas wehmütig wünschte ich schon, auch in die Zeit der dünn besiedelten Landschaft am Lago Maggiore geboren worden zu sein, als Künstler in einer Zeit ohne Internet und in einem bescheideneren Leben. Trost spenden bei diesen Gedanken die heute noch bestehenden Steinhäuser als alte Zeitzeugen der Centovalli, die Casa Maria, die Casa Cecilia und all die vielen anderen mehr.
Toll. Gibt es auch Geschichten/Informationen zum Dorf Costa selbst? Mich wirde das sehr interessieren. Vielen Dank
Vom anderen Costa gibt es ein interessantes Buch: https://centovalli-tessin.ch/geschichte-aus-acht-jahrhunderten/