Zum Jahresende

Ungewöhnlich früh, bereits am 28. November legte sich in diesem Jahr das weisse Tuch über die Täler des Locarnese. Die Nervosität der Vögel bei der Futtersuche vor dem Winter kündigte die zeitigen Minustemperaturen an. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, vermerkte schon Rainer Maria Rilke. Aber wer jetzt kein sicheres Dach über dem Kopf hat, wird mit Sicherheit ein schweres Natursteindach bauen müssen – zumindest in den Centovalli.

Diese Verpflichtung galt schon seit langem für die Gemeinden Palagnedra und Intragna. Nach dem Zusammenschluss aller Gemeinden des Tals zur Gemeinde Centovalli wurde aber vergessen, diese Regelung auch für die ehemals eigenständige Gemeinde Borgnone zu übernehmen. Das wurde nun seit kurzem nachgeholt. Was für ein Glück, dass die alten Dächer nicht mehr mit schwarzen oder braunen Ziegeldächern erneuert werden dürfen. Das Glück gilt allerdings nur fürs Auge und nicht für die Geldbörse, denn für Natursteindächer muss mit mehr als tausend Schweizer Franken pro Quadratmeter gerechnet werden. Um diesen Wermutstropfen etwas zu versüssen, bietet der Kanton Tessin aus einem Fonds Beiträge von 200 CHF pro m2 an. Und die Gemeinde Centovalli will mit einem zusätzlichen Beitrag von 50 CHF die Hausbesitzer aus einer Rückstellung von CHF 40’000 weiter zur Renovation maroder Dächer motivieren. Für beide Fonds gilt allerdings die Einschränkung: bis die Kassen leer sind.

Die verbliebenen Bauten in den Tälern, die nicht unter den Schutz der Zweitwohnungs-Initiative fallen, gehen zurzeit wie warme Brötchen weg, die Preise steigen. Doch es bleibt empfehlenswert, vor dem Kauf einen Blick aufs Dach zu werfen und je nach dem 100’000 CHF oder mehr dazu zu kalkulieren, damit der Handel nicht ins Auge geht, sondern dem Auge für die herrliche Welt aus Gneis und Granit weiter schmeichelt.

Es weihnachtet sehr. Auch wenn mit Omikron kein König aus dem Morgenland vor der Türe steht, ist die Zeit um den Jahreswechsel im Centovalli mit sinnlicher Beschaulichkeit, Kerzenlicht und Einkehr verbunden. Wer das Glück hat, sein Haus heizen zu können oder zumindest genügend wärmende Kleidung mitbringt, darf die winterliche Landschaft geniessen – und wiederum mit Rilke: Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben. Wie leben wohl die Leute im Ashram ob Golino, versehen nur mit kaltem Wasser? Wer wagt sich über die winterlichen Strassen nach Monadello und wer bleibt noch im entlegenen Bordei oder bewacht Burg und Kirche in Terra Vecchia und Rasa? Die gute? Nachricht zum Schluss ist die Mitteilung der neu gebildeten Gemeindeverwaltung Centovalli, dass sich die Seilbahnprojekte Rasa und Costa Pila weiter verzögern und auch im nächsten Jahr mit zumindest Güter-Transportmöglichkeiten gerechnet werden kann. Den aktuellen italienischsprachigen Beschluss dazu findest Du mit diesem Link.  Für die Bahn nach Pila und Costa s./Intragna sind die Betriebszeiten für 2022 hier zu lesen (ausschliesslich Warentransport ab 1. Januar 2022).

Ich danke allen Leserinnen und Lesern meines Blogs für die Treue im alten Jahr und hoffe, euch auch im neuen Jahr wieder begrüssen zu dürfen. Ich schreibe bis mir nichts mehr Neues zufällt und danach bleibt immer noch die beliebteste Seite, die Webcam. Schau doch auch wieder mal die Wetterstatistiken an – hilfreich für die Ferienplanung im nächsten Jahr. 😉

Alles Gute, frohe Festtage und ein glückliches neues Jahr wünscht euch,
Robert Zuber

3 Antworten auf „Zum Jahresende“

  1. Salü Robert

    Danke und nochmals danke für Deine immerwährenden interessanten Beiträge.
    Sie sind nicht nur unterhaltsam und quirlig-lebend verfasst, sondern auch sehr informativ: ich hätte sonst z.B. nirgendwo die Informationen zu den Dachrenovationen bzw. den damit verbundenen eklatanten Mehrkosten erhalten.

    Bleib so, wie Du bist, pachte fürs neue Jahr exquisite Gesundheit und es reicht sicherlich hin und wieder für einen „Schwatz“!

    Christian Gianoli

  2. 👍👍👍klar – dach sollte dicht sein. wenn nicht, bleibt immerhin der trost: je größer der dachschaden, desto freier der blick nach oben🙏
    dach dicht oder auch nicht: allen frohe
    🍷8️⃣en und alles gute für 2️⃣0️⃣2️⃣2️⃣❗️

  3. Lieber Robert

    Einmal mehr herzlichen Dank für all deine wertvollen Beiträge übers Centovalli, welche ich immer mit grossem Interesse lese.
    Sie sind eine wirklich tolle Bereicherung!

    Ich schicke dir die besten Wünsche zum Jahreswechsel und grüsse dich herzlich!
    Stefania Rinderknecht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert