Neue Post und alte Schule

So sieht sie aus, die schöne neue Welt: Erst haben sie uns die Post in Borgnone genommen, dann die Post in Camedo. Sie haben das Postgebäude sogar verkauft! Dann mussten wir zur Tankstelle an der Grenze, um einen Brief zu frankieren. Nun ist auch die weg und die nächste Poststelle liegt in Intragna. Kein Wort und keinen Brief von der Post dazu. Der Bäcker bringt kein Brot mehr, der Metzger kein Fleisch, die Migros keine Lebensmittel, die Gemeinde Borgnone hat sich in Luft aufgelöst. Einzig der Kran in Lionza erinnert uns noch an die guten alten Zeiten im Tal. Wie lange wird es noch Strom geben, wie lange noch mobiles Internet, wenn die Masten am Rasa-Bähnchen vielleicht abgebrochen werden?

tempi passati…

Doch halt: Da liegen ja noch Steuer-Rechnungen der Comune und der SES im Briefkasten. Auch die Meldungen, dass das Trinkwasser gerade nicht geniessbar ist, sind dabei. Das alles stammt aus den Händen der Postboten und in Ihnen liegt vielleicht auch eine kurzzeitige hoffnungsvolle Zukunft.

Ich habe mich bei der Post in Bern telefonisch nach dem Stand der Dinge erkundigt. Sie würden sich in der Gegend zwar nicht auskennen (liegt dieses „Intrakna“ tatsächlich noch in der Schweiz?), aber sie hätten Verständnis, dass all dies für die alten, nicht motorisierten Leute schwierig sei. Bei der Medienstelle der Post fand ich dann mit der Suchfunktion und dem Stichwort „Camedo“ doch noch brauchbare Hinweise…

Tatsächlich gibt es an der Via Cadanza 7, 6659 Camedo eine Postfachanlage mit Briefeinwurf. „Den Antrag auf Eröffnung eines Postfachs können Sie entweder am Postschalter oder online stellen“ ist da zu lesen. Und im Titel einer weiteren Medienmitteilung steht dann das paradiesische Wort „Hausservice„. „Hausservice, die Post an der Haustüre: kein fester Zugangspunkt„.

Briefe und Pakete

  • Briefe und Pakete versenden
  • Briefe und Pakete empfangen
  • Briefmarken

Zahlungsverkehr

  • Bareinzahlungen in CHF (max. CHF 10’000)
  • Einzahlungen (CHF) mit Check Hausservice oder Auszahlungsschein
  • Bargeldbezug (max. CHF 10’000) mit Check Hausservice oder Auszahlungsschein

Viele Rätsel bleiben trotzdem. Allen voran, wie merkt der Postbote, dass ich ihm ein Paket mitgeben will? Sollte ich im Regen vor der Haustüre stehen und warten oder genügt ein Zettel am Briefkasten? Solche Instruktionen wären wertvoll. Auch wie man einen „Check Hausservice oder Auszahlungsschein“ bekommt. Vielleicht weiss die Helpline der Post mehr: +41 848 888 888

Bereits mehrmals habe ich mich auch an Google Maps gewandt. Die Strassennamen und Hausnummern im Alta Centovalli fehlen, obwohl diese seit einigen Jahren vom Kanton geändert wurden. Dies ist ein grosses Problem für die Lieferdienste DHL, UPS usw. Sie können die Pakete nicht zustellen, nehmen sie wieder mit auf eine Abholstelle in Locarno/Ascona oder lassen sie auf den Dorfplätzen liegen. Du kannst den Unterschied der Karten selbst überprüfen. Bei Google Maps sieht das so aus. Bei SwissTopo sieht es am Beispiel von Costa Borgnone so korrekt aus.

Vor lauter Post hätte ich die „alte Schule“ fast vergessen… Wer etwas italienisch kann oder einige ältere, vielleicht bereits verstorbene Leute aus dem Tal kennt, wird sich über dieses Video der Gemeinde Centovalli sicher freuen.

P.S.: Als Nachtrag zum letzten Blog über die hundertjährige Centovallina:
Der Beitrag von „Schweiz aktuell“ vom 12. Februar 2024 zur abermaligen Feier des Jubiläums…

6 Antworten auf „Neue Post und alte Schule“

  1. Bei all den geschilderten Widrigkeiten bzgl. der Post, haben Sie glücklicherweise mit dem eingebetteten Video einen grossartigen Blog-Abschluss gefunden. Nebst all den erinnerungsträchtigen Beiträgen hat mich ganz besonders berührt, meine Tante Albina Jelmorini vor ihrem Haus in Corcapolo zu sehen und in einem Wortbeitrag einer anderen Signora die Schilderung meiner Grossmutter Adelheid Chiudinelli zu hören, welche in Intragna unterrichtete. Herzlichen Dank, Robert

  2. Die Wohnqualität im Centovalli wird nicht nur vom Bund und seinen Anstalten (u.a. der Post) und vom Kanton (fehlende wirksame Regionalpolitik) beeinflusst. Auch die Gemeinde mischt hierzu wesentlich mit, indem sie z.B. zulässt, dass im Centovalli zunehmend Baukräne toleriert werden, obwohl seit langem gar nicht mehr im Einsatz. Das Tal der wilden (Kran-)Deponieen?

  3. Die Schliessung der damals eigenen Poststelle und die Verschiebung der meisten Dienstleistungen in die Tankstelle muss man wohl wegen der heute geringen Zahl der NutzerInnen hinnehmen. Wenn aber der Postservice auch dort abgebaut wird oder die Tankstelle bzw. der diesbezügliche Kiosk auch nicht mehr rentiert und geschlossen wird, wäre es spätestens jetzt Sache des Kantons, etwas für die regionale Belebung zu unternehmen. Wo bleibt denn da die Regionalpolitik?

  4. ☝🏾der fortschritt kennt sein ziel. die richtung stimmt: vorwärts immer – rückwärts nimmer! die menschinnen und menschen sagen als gemeinschaft der nutznießerinnen und nutznießer „ ja“ zum fortschritt👍☹️

  5. Oh! Ist ja krass, dass jetzt offenbar auch die Tankstelle in Camedo nicht mehr als Poststelle funktioniert. Hat mich oft aus der Bedroullie gerettet. Aber wenn es die jetzt auch nicht mehr gibt, sieht’s tatsächlich düster aus.

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